Leben mit Bindungs- und Entwicklungstrauma
3 Fragen an die Initiatorin einer neuen Selbsthilfegruppe
„Mit Trauma leben – Bindungs- und Entwicklungstrauma“: So heißt eine neue Bonner Selbsthilfegruppe, die gerade dabei ist, sich zu gründen. Wir haben mit ihrer Initiatorin darüber gesprochen, wie es zu diesem Gründungsvorhaben kam und an wen sich die Gruppe richtet.
Bindungs- und Entwicklungstrauma – was genau ist damit gemeint?
Mit Trauma wird oft ein einzelnes belastendes Ereignis, wie z.B. ein Autounfall, in Verbindung gebracht. Es gibt aber auch traumatische Erfahrungen, die durch anhaltende Belastungen über einen längeren Zeitraum entstehen. Zu dieser Art von Trauma gehören auch Bindungs- und Entwicklungstrauma. Sie entstehen in einer sehr frühen Lebensphase, in der wir zum Überleben sowohl auf die Versorgung durch eine Bezugsperson angewiesen sind als auch auf eine sichere Bindung zu ihr. Erst über diese Bindung lernen wir uns selbst zu regulieren und uns angenommen und willkommen zu fühlen.
Kommt es in dieser Entwicklungsphase zu traumatischen Erfahrungen, wie z.B. einer Trennung von der Bezugsperson oder emotionaler Vernachlässigung, kann dies tiefgreifende Folgen für unsere weitere Entwicklung zur Folge haben, die sich unter Umständen erst Jahre oder Jahrzehnte später zeigen: Neben den klassischen Symptomen eines Traumas (Flashbacks, Alpträume, Vermeidung, erhöhte Wachsamkeit) gehören dazu Störungen der Emotionsregulation, eine negative Selbstwahrnehmung, Beziehungs- und Kontaktschwierigkeiten und körperliche Beschwerden ohne medizinische Erklärung.
Warum haben Sie sich dazu entschieden, eine Selbsthilfegruppe zu diesem Thema ins Leben zu rufen?
Obwohl ich seit mehr als 20 Jahren Therapie mache und immer Schwierigkeiten im Kontakt zu anderen Menschen und in Beziehungen hatte, ist mir erst durch meine Traumatherapie, die ich seit drei Jahren mache, klar geworden, welche zentrale Rolle das Thema Kontakt in meinem Leben spielt. In zwei Reha-Aufenthalten sammelte ich parallel dazu Erfahrungen mit Gruppentherapie und merkte, wie wertvoll gegenseitige Unterstützung und Anteilnahme sein können.
Die Idee eine Selbsthilfegruppe zu gründen, kam mir letztes Jahr als es mir nach einer Krise im Jahr zuvor endlich wieder besser ging und ich im Rahmen des Therapieprozesses spürte, dass ich mutiger und offener für neue Erfahrungen werde und mir Kontakt und Austausch mit anderen Betroffenen wünsche. Anfang 2023 habe ich dann Nägel mit Köpfen gemacht: Ich habe mir Unterstützung bei der Selbsthilfe-Kontaktstelle Bonn geholt und angefangen, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Welche Zugangsvoraussetzungen gibt es?
In der Gruppe soll es in erster Linie um das Leben mit Bindungs- und Entwicklungstrauma und die Alltagsbewältigung gehen. Es geht nicht um die Aufarbeitung der eigenen Geschichte oder die Auseinandersetzung mit dem erlebten Trauma, denn das kann eine Selbsthilfegruppe meiner Erfahrung nach nicht leisten. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass bereits Therapieerfahrung vorhanden ist. Das Verfahren oder die Methode sind nicht entscheidend. Wünschenswert, aber keine Voraussetzung sind Erfahrungen mit Somatic Experiencing oder NARM (Neuroaffektives Beziehungsmodell), beides therapeutische Ansätze speziell für die Behandlung von Bindungs- und Entwicklungstrauma.
Neben der Therapieerfahrung ist die bereits erfolgte Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und dem eigenen Trauma eine Zugangsvoraussetzung, da ein reflektierter und offener Austausch in einer Gruppe voraussetzt, dass zum Beispiel eigene Grenzen (Trigger) und Muster bereits bekannt sind. Um die Erfüllung der genannten Voraussetzungen einschätzen zu können und ein gemeinsames Verständnis von Bindungs- und Entwicklungstrauma als Basis für die Gruppe gewährleisten zu können, findet außerdem ein telefonisches Vorgespräch mit der Initiatorin statt.
Sind Sie interessiert? Dann nehmen Sie Kontakt auf über die Website der Gruppe oder die Selbsthilfe-Kontaktstelle Bonn.
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