Jubiläum: 15 Jahre Selbsthilfegruppe für Essentiellen Tremor in Bonn
Ein Gründungsmitglied blickt zurück
Als ich Ende des Sommers 2008 im Bonner Generalanzeiger von der Gründung einer Selbsthilfegruppe für Essentiellen Tremor (ET) las, dachte ich, das könnte für mich als Betroffenen interessant sein. Ich meldete mich bei der Selbsthilfestelle an und erschien dann am 19. September 2008 zum Gründungtreffen. Wir Anwesenden waren sechs Betroffene, allesamt ohne Selbsthilfeerfahrung und ausnahmslos enttäuscht von dem, was uns die Medizin und Wissenschaft bisher bieten konnte. Zu dieser Zeit war ET weitgehend unbekannt in Deutschland. Das charakteristische Symptom – das Zittern – wurde meist der Parkinson-Krankheit zugeschrieben, obwohl ET vier- bis sechsmal häufiger in der Bevölkerung vorkommt als Parkinson. Schon am Ende der Gründungssitzung war ich vom Nutzen der Gruppe überzeugt. Und 15 Jahre danach gibt es uns immer noch!
Deutschlandweit einzigartig
Kurz nach unserer Gründung erfuhren wir, dass eine ET-Selbsthilfegruppe auch in Köln entstanden war, und zwar im Juli 2008. Mit dem Ziel, von der Kölner Gruppe vielleicht lernen zu können und Synergien zu bilden, nahm ich an einer ihrer Sitzungen teil. Ich wurde bald regelmäßiger Besucher. Zu unserem Erstaunen stellten wir fest, dass die Bonner und Kölner ET-Gruppen die einzigen ET-Selbsthilfegruppen bundesweit sind. Weder in Berlin, noch in München, Hamburg oder Frankfurt gibt es eine Selbsthilfegruppe für ET. Über die Jahre erfuhren wir immer wieder Zuwachs. Zurzeit nehmen acht bis zwölf Betroffene an unseren monatlichen Sitzungen teil. Die Regelmäßigkeit von unseren Treffen wurde erst vom Corona-Lockdown unterbrochen. Daraufhin entschieden wir uns, die Sitzungen digital als Zoom-Meetings abzuhalten. Dabei sind wir geblieben. Das gibt uns nun auch die Möglichkeit, Teilnehmer weit entfernt von Bonn aufzunehmen, z.B. aus dem Ruhrgebiet oder Bayern. Anfragen haben wir sogar aus Wien erhalten.
Mitarbeit an einer neuen medizinischen Leitlinie
Ein Höhepunkt unserer Arbeit war sicherlich die Beteiligung an der Erstellung einer neuen medizinischen "Leitlinie Tremor" (LL-Tremor), die von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie herausgegeben wurde. Der Leiter des ärztlichen Expertenteams hat uns und die Kölner Gruppe in den Beratungen als Patientenvertretende aufgenommen. Die LL-Tremor, die mit unserer Hilfe entstand, gilt nun für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Am wichtigsten sind allerdings unsere monatlichen Treffen. Das sind weniger Informationsveranstaltungen als Gelegenheiten, sich mit Mit-Betroffenen auszutauschen, die verstehen, wie schwierig der Alltag für Menschen sein kann, die keine Kaffeetasse halten, nicht mehr lesbar schreiben oder nicht einmal ein Hemd zusammenknöpfen können. 15 Jahre nach unserer Gründung bietet die Selbsthilfegruppe Essentieller Tremor Bonn allen Betroffenen weiterhin diese wichtige Möglichkeit!
Albert Brancato
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